3.2. WKZ: Polittalk im Welzheimer Wald. Einfach mal die ganze Wahrheit sagen

In der Schorndorfer Zeitung ist ein Beitrag zu einem Vortrag von Bernd Ulrich veröffentlicht: "Polittalk im Welzheimer Wald". "Einfach mal die ganze Wahrheit sagen". In seinem Vortrag betont Bernd Ulrich die Klimakatastrophe als Haupttreiber des politischen Rechtsrucks.

Zitate aus dem Artikel:

Wie können wir die Demokratie retten?

Also, mal Butter bei die Fische, Herr Ulrich: Wie können wir denn nun in Zeiten der Konflikte unsere Demokratie bewahren? Man merkt, die Menschen im Raum erhoffen sich eine kluge Analyse, einen Richtungsweiser, wie man aus den Krisen wieder herausfinden kann. „Ja, puh“, beginnt Ulrich. Holt Luft. Und startet, weil ein auflockernder Einstieg nie schaden kann, mit zwei Fragen: „Wem geht es persönlich gut?“ Fast alle melden sich. „Ah ja, klar, wir sind in Baden-Württemberg ...“ Lachen. „Und wer fühlt sich politisch wohl?“ Nur vereinzelte Zuhörer melden sich.

Der Mensch hat sich bewusst in die ökologische Krise begeben

Ulrich aber bringt erst mal wenig Trost mit. Im Gegenteil beginnt er einen Ritt mitten hinein die Apokalypse. Denn er ist überzeugt: Der Mensch hat sich bei vollem Bewusstsein in die ökologische Krise begeben. Und die, so seine Grundannahme, ist der Kern aller Verunsicherung und allen Widerwillens, die wir derzeit erleben. Inklusive der Erstarkung populistischer Kräfte.

„Die ökologische Krise ist 1972 ins Bewusstsein der westlichen Welt getreten“, holt er den Bericht des Club of Rome aus der Schublade des allgemeinen Gedächtnisses. In der Folge habe „sich rausgemendelt, dass man die Ökologie aufs Klima fokussiert hat.“ Und die Politik habe drei Prämissen festgelegt. Erstens: „Ihr müsst euer Leben nicht ändern“. Zweitens: Man muss nur Steuern wie die CO2-Steuer erheben, um die Marktwirtschaft dazu zu bewegen, die Transformation in die Gänge zu bringen. Und drittens brauche man nur „Geräte, Geräte, Geräte – wir schaffen das alles mit Technologie“.

Seit 2021 erlebt man laut Ulrich einen krassen ökologischen Backlash

„Wenn man das in den 90er Jahren angefangen und durchgezogen hätte, hätte das vielleicht klappen können.“ Dann kamen das Kyoto-Protokoll, das Pariser Klimaabkommen, Fridays for Future. Der Höhepunkt der aufs Klima fokussierten Analysen und Mahnungen war im Jahr 2021 erreicht – in den Jahren ’21 bis ’24 habe man dann einen krassen ökologischen Backlash erlebt, die Gegenbewegung, „in der sind wir noch immer drin“, so Ulrich.

Eine ernüchternde Tatsache sei immer klarer geworden: Der Glaube, wenn Menschen mehr über die Klimakrise wissen, seien sie willens, mehr dagegen zu tun, habe sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: je mehr Wissen, je mehr Bilder – umso mehr Gegenwind. „Wenn Sie fragen, wie ist der Backlash zustande gekommen, dann hört man hier: Heizungsgesetz! Aber den Backlash gibt es in allen Ländern, auch wenn die kein Heizungsgesetz und keinen Habeck haben.“

Einfach mal die ganze Wahrheit sagen!

Der Grund ist für Ulrich klar: Als zum ersten Mal ernstlich versucht wurde, Klimapolitik zu machen, spürten die Menschen, dass Steuern und Energiekosten stiegen. Die Prämisse, man müsse sein Leben nicht ändern, stürzte wie ein Kartenhaus zusammen. Doch statt den Menschen die Wahrheit zuzumuten, habe man das Problem weiter verengt, von Ökokrise auf Klimakrise auf Infrastruktur. Und das, so Ulrich, „ist eine Lüge“. Maximal die halbe Wahrheit.

„Dass wir auf einmal für alle Folgen unseres Tuns verantwortlich sind, ist ein Schock“, der (noch) nicht bearbeitet wird. Nebenfolgekrise nennt er das. „Menschen sind weder dumm noch naiv, auch AfD-Wähler in der Regel nicht, die spüren die Halbwahrheiten doch, wählen dann was anderes oder sind resigniert.“ Bernd Ulrich appelliert daher dafür, es „einfach mal mit der ganzen Wahrheit“ zu probieren. „Ich glaube, dass wir uns viel stärker fühlen, wenn wir miteinander reden wie Erwachsene.“ Er sieht die Menschheit noch nicht verloren an, ist überzeugt: „Menschen wollen moralisch sein. Sie wollen eine gute Geschichte über ihr Leben erzählen.“ Ulrich bot den Zuhörern damit nicht der Weisheit letzten Schluss an – aber einen Abend, über den man nachdenken kann.

Der ganze Artikel als PDF-Datei.

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